Sake Guide

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Sake und Klimawandel

Klimawandel in Japan

Während die Klimaproteste im Sommer 2019 mehrere Zehntausende in Städten rund um die Erde auf die Straße brachten, um für sofortige Klimaschutzmaßnahmen zu demonstrieren, versammelten sich in der weltgrößten Metropole Tokio bloß etwa 2.800 Menschen, darunter viele internationale Studenten. Der Klimawandel und seine Folgen sind kein großes Thema in Japan, wo politisches Engagement, vor allem von jungen Menschen, nicht sehr verbreitet ist (und oft auch nicht unterstützt wird).

Klimaveränderungen betreffen die Landwirtschaft in allen Ländern auf vielfältige Weise. Steigende Temperaturen lassen Pflanzen früher blühen und verkürzen die Wachstumssaison. Saisonale Regenfälle werden unregelmässiger und machen es schwieriger für Bauern, die optimalen Pflanz- und Erntezeiten zu planen. Gleichzeitig häufen sich extreme Wetterereignisse wie Stürme und Taifune, und die damit einhergehende Gefahr von Überflutungen, Erdrutschen und Schäden durch Wind und Niederschlag.

Viele zentrale Produkte der japanischen Landwirtschaft sind durch den Klimawandel gefährdet, wie der Regierungsreport “Climate Change in Japan and Its Impacts” (2018) deutlich gemacht hat: Eine schrumpfende Fischpopulation und sich verändernde Wanderströme bedeuten, dass in Zukunft weniger Fisch und Meeresfrüchte auf japanischen Tischen landen wird. In Teilen des Landes wurde auch bereits eine sich verschlechternde Reisqualität festgestellt.

暑い、ね!(Ganz schön heiß, was?). Aktuellen Prognosen zufolge wird die Durchschnittstemperatur in Japan um 2,1 bis 4ºC steigen.

Extremes Wetter und hohe Temperaturen

Die Pflanzen der Reissorten, die zum Sakebrauen besonders geeignet sind, werden relativ hoch und knicken bei Wind oder starkem Regen leicht um.

Sakereis ist, mehr noch als andere Reissorten, anfällig für Schäden durch extremes Wetter. Die Reissorten, die zum Brauen besonders geeignet sind, werden höher als die meisten anderen Sorten. Alte Sorten wie Omachi können 150cm erreichen. Die populäre Sorte Yamada Nishiki, Grundlage für viele Premium-Sakes, wird ca 120–130cm hoch und knickt durch seine Kopflastigkeit besonders leicht um. Bei starkem Regen oder Wind werden die langen Pflanzen daher oft stark beschädigt.

Physische Schäden an den Pflanzen sind bloß ein Aspekt. Die globale Erwärmung beeinflusst auch das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen. Nach derzeitigen Schätzungen wird Japan einen überdurchschnittlich starken Temperaturanstieg erleben. In den letzten hundert Jahren ist die durchschnittliche Oberflächentemperatur in Japan um 1,15°C gestiegen, innerhalb des nächsten Jahrhunderts wird ein Anstieg von 2,1–4,0°C erwartet. Das gleiche Modell prognostiziert für den Rest der Welt einen durchschnittlichen Anstieg von 0,8°C.

Annual surface temperature anomalies in Japan (Japan Meteorological Agency)

Die Folgen der Erderwärmung auf die Reisproduktion kann man bereits heute beobachten. Ein Forschungsbericht des Institute for Global Change Adaptation Science an der Universität von Ibaraki von 2009 erwartet, dass die Erntemengen in der Kansai Region bis Ende des Jahrhunderts um 5–20% zurückgehen werden. Reisanbaugebiete im Norden des Landes könnten einen gleichzeitigen Anstieg sehen, aber die Bauern (und Brauereien) müssten sehr schnell reagieren, um die Verluste ausgleichen zu können. Reissorten wie Yamada Nishiki haben außerdem sehr bestimmte Ansprüche an den Boden; sie benötigen tonhaltige Erde mit der richtigen Balance an Nährstoffen, die nicht überall zu finden ist.

Gefahren für Sakereis

  • Physische Schäden durch extreme Wetterereignisse

  • Risiko von Unfruchtbarkeit durch zu hohe Temperaturen während der Blütezeit

  • Rissige, leicht zerbrechende Körner durch starke Hitze

  • Kleinere Körner aufgrund verkürzter Wachstumszeit

  • Unreife Körner mit höherem Proteingehalt

Der Einfluss von Hitze auf Reis

Eine Durchschnittstemperatur über 30°C während der Blüte wird von Wissenschaftlern mit einem erhöhten Risiko für Unfruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Später, während der Reifung, könne hohe Temperaturen dazu führen, dass die Körner zu schnell austrocknen und rissig werden. Diese rissigen Körner zerbrechen leicht beim polieren, absorbieren schnell Wasser und lösen sich schnell auf und sind daher zum Sakebrauen nicht zu gebrauchen.

Durch die durchschnittlich höheren Temperaturen verkürzt sich auch die Wachstumszeit, was in kleineren Körnern resultiert, die sich schlechter polieren lassen.

Für die optimalen Reifebedingungen kommt aber nicht nur auf die Durchschnittstemperatur an, sondern auch auf den Unterschied zwischen Tag- und Nachttemperatur. In den letzten Jahren sind sogenannte tropische Nächte, in denen die Temperatur nicht unter 25°C fällt, in den Sommermonaten immer häufiger aufgetreten, ebenso Nächte mit Temperaturen über 30°C.

In der Präfektur Osaka haben die tropischen Nächte im Zeitraum von 1968 bis 2007 mit einer Rate von +6.3 Tagen pro 10 Jahren zugenommen (Osaka Regional Meteorological Agency, 2008). Diese durchgängig warmen Temperaturen verursachen unreife Körner mit relativ weniger Stärke und höherem Proteingehalt, was beim Sakebrauen unerwünschte Aromen erzeugt.

Reis wird in Japan auf gefluteten Feldern angebaut, die auch eine Heimat für Frösche, Vögel und viele Insekten darstellen.

Was getan werden kann

Quellen und weiterführende Informationen

WWF: “Nippon Changes”

Japan Times: Climate change threatens nation's agriculture

UNU: Japan to suffer huge climate costs

A-PLAT: Two Actions by Hyogo to Protect Paddy Rice from High Temperatures

FAO: Climate Change and Rice Economy in Asia (PDF)

Auch lesenswert:
Eric Asimov in der New York Times über Klimawandel und Wein

Innovative Anbautechniken können die Effekte vom hohen Temperaturen auf den Reis mildern. Um hitzebedingte Unfruchtbarkeit zu vermeiden, gab es bereits Feldversuche, bei denen die Reispflanzen dazu zu gebracht wurden ihre Blüten möglichst früh am Morgen zu öffnen, so dass die Bestäubung stattfinden kann bevor die Temperatur zu sehr steigt.

Am Sake Research Center der Universität Niigata gibt es ein Forschungsprojekt, das die Effekte des Klimawandels auf Sake-Reis weiter untersuchen soll. Wissenschaftler forschen auch an neuen Reissorten, aber es wird innovative Lösungen brauchen, um hitzeresistente Pflanzen entwickeln zu können, die auch die Anforderungen für guten Braureis erfüllen. Neue Sorten Tafelreis wurden bereits entwickelt und werden teilweise auf Kyushu, im Süden Japans, angebaut.

Aber die Entwicklung neuer Reissorten braucht Zeit. Einige der in den letzten Jahren herausgebrachten Sorten sind über Jahrzehnte entwickelt worden. Der FAO-Bericht schließt sein Kapitel zu Japan mit der Erkenntnis: “Adaptation to avoid these risks requires genetically modified (GM) crops that introduce a new heat-tolerant trait in the rice plant.” Gentechnologie zeigt einen vielversprechenden Lösungsweg auf, ist aber stark reguliert und wird von weiten Teilen der Bevölkerung skeptisch gesehen, auch wenn das Potential der gezielt eingesetzten Biotechnologie groß ist und sie möglicherweise die beste Option zur Anpassung unserer Landwirtschaft an den Klimawandel darstellt.

Brauereien und Verbraucher werden akzeptieren müssen, dass in Hyogo angebauter Yamada Nishiki Reis in Zukunft nicht mehr die einzige Grundlage für hochwertigen Sake sein kann. Glücklicherweise wird der Sakemarkt bereits vielfältiger. Das steigende Interesse an lokalen Produkten mit einem eigenen Charakter hat in den letzten Jahren viele spannende Sakes hervorgebracht, die lokale und teilweise vergessene Reissorten nutzen, die optimal an ihre Umgebung angepasst sind.